
Neun Monate vor der Landtagswahl tritt der bayerische SPD-Generalsekretär Arif Tasdelen zurück. „Seit Monaten bin ich mit Vorwürfen und Gerüchten über meine Kommunikation innerhalb der Partei und mit Vorurteilen in der Öffentlichkeit konfrontiert“, sagte der Nürnberger Landtagsabgeordnete in einer persönlichen Erklärung. Diese Situation ist für ihn und seine Familie zu belastend geworden. Er informierte die beiden Landesvorsitzenden Ronja Endres und Florian von Brunn über seine Entscheidung.
Der 48-jährige Tasdelen ist seit 2013 Landtagsabgeordneter und seit Frühjahr 2021 auch Generalsekretär der bayerischen SPD. Vor Weihnachten sorgte die Nachricht für Aufsehen, dass die Jusos ihn zu einer „unerwünschten“ Person erklärt hatten. Der Vorwurf: Tasdelen habe sich gegenüber weiblichen Juso-Mitgliedern unangemessen verhalten.
Tasdelen: “Ich will meiner Partei helfen”
Tasdelen betonte, dass er viele ermutigende Briefe erhalten und Gespräche mit Freunden und Kollegen geführt habe. Dennoch entschied er sich, seinen Posten als Generalsekretär und damit Hauptorganisator des Wahlkampfs zur Verfügung zu stellen. „Ich möchte meiner Partei helfen, ungestört in dieses wichtige Landtagswahljahr zu starten.“
Auf BR-Anfrage sagte der bayerische SPD-Landes- und Landesvorsitzende Brunn, er verstehe und respektiere Tasdelens Rücktritt. “Und ich danke ihm für seine gute Arbeit.” Die Suche nach einem Nachfolger läuft bereits. Der Neue muss Führungsstärke zeigen und wahlkampffähig sein. Am 8. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt.
Jusos Bayern-Chef Kilian Maier sagte: „Es war nie unsere Absicht, Arif Tasdelen zum Rücktritt zu zwingen.“ Es sollte dem Generalsekretär nichts anhaben. „Uns war wichtig, dass wir allen Frauen einen sicheren Raum bieten können, sich bei den Jusos zu engagieren.“
Die SPD-Parteispitze sei seit Ende September informiert
Nach eigenen Angaben erfuhr von Brunn Ende September von der Juso-Entscheidung. Vor Weihnachten sagte er: “Wir nehmen solche Themen sehr ernst.” Er bat den Vorsitzenden der Kontrollkommission der bayerischen SPD, der Angelegenheit nachzugehen.
Er habe mehrere Gespräche mit Tasdelen und den Jusos geführt, sagte der SPD-Landeschef damals. Der Generalsekretär erklärte sich bereit, an Sensibilisierungsschulungen teilzunehmen. Laut von Brunn bezeichneten die Jusos Tasdelens Verhalten in Gesprächen oder in Social-Media-Kontakten, die weibliche Parteimitglieder als unangemessen bezeichneten. Die Frauen traten jedoch nicht offiziell an die Parteiführung heran. Brunn ist überrascht, dass Tasdelen vor der Juso-Entscheidung nicht einmal gehört wurde.
Betonkasten Gillamoos
Ein konkreter Vorwurf ist bekannt: Beim Gillamoos-Fest in Abensberg soll Tasdelen nach der Handynummer eines jungen Landtagskandidaten gefragt haben. Laut Endres, Co-Vorsitzender der SPD, ging es Tasdelen darum, den Informationsfluss im Wahlkampf sicherzustellen.
Als Generalsekretär war er Wahlkampfleiter. Sie hat kein weiteres persönliches Interesse festgestellt. Der Kandidat selbst hat das offenbar anders wahrgenommen.
Jusos: “Keine Pipifax-Ansprüche”
Die Entscheidung der Jusos wurde seinerzeit durch einen Bericht in der „Süddeutschen Zeitung“ bekannt. Allerdings sei keiner der Vorwürfe strafrechtlich relevant, hieß es. Im Dezember erhielt Tasdelen Unterstützung von der ehemaligen SPD-Landesvorsitzenden Renate Schmidt – sie nannte die Vorwürfe “absurd”. Den SPD-Generalsekretär deswegen auszuschließen, finde sie “übertrieben”, sagte Schmidt der Zeitung. “Ich würde mich freuen, wenn sich die Jusos politisch relevant äußern würden. Nicht mit so einem Pipifax.”
Maier, Juso-Landeschef, betonte dagegen heute, dass „es sicher keine Pipifax-Vorwürfe gibt, die wir da erhoben haben“. Vielmehr ging es bereits um konkrete Beschimpfungen. „Mit Blick auf Martin Huber, den Generalsekretär der CSU, bin ich mir sicher, dass wir in naher Zukunft einen deutlich besseren Kandidaten präsentieren werden.“
Im Februar 2022 schlug CSU-Chef Markus Söder den Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer als neuen Generalsekretär vor, der nach nicht einmal zehn Wochen zurücktrat – offiziell aus „gesundheitlichen Gründen“, aber auch, weil er wegen seiner Berichterstattung über Mayers Privat einen Journalisten verbal bedroht haben soll Leben. Zweieinhalb Tage später wurde der Landtagsabgeordnete Martin Huber als sein Nachfolger vorgestellt.
Mit Informationen von dpa.