
Karlsruhe/Erfurt (dpa/th) – Lange Jahre war das Credo der Thüringer CDU, dass es keine Windmühlen im Wald gibt. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts muss das generelle Verbot des Thüringer Waldgesetzes nun aufgegeben werden – Windkraftanlagen dürfen von Waldbesitzern errichtet werden. Laut der am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 2661/21) ist das Thüringer Windkrafttabu verfassungswidrig. Die Entscheidung der Karlsruher Richter macht die Fronten im Freistaat klar.
Vertreter der rot-rot-grünen Minderheitskoalition, die Ende 2020 über den Haushaltsbeschluss die Zähne zusammengebissen hatte, stimmten der Gesetzesänderung im Landtag zu, zeigten sich erleichtert. Die CDU-Bundestagsfraktion blieb jedoch stur.
„Die Entscheidung löst endlich den Engpass in Thüringen, der uns bei der Energiewende unnötig lange aufgehalten hat“, sagte Energieministerin Anja Siegesmund in Erfurt. Der Grünen-Politiker will das vom Verfassungsgericht kritisierte generelle Verbot von Windkraftanlagen schnell aufheben – ohne dabei den Naturschutz zu vernachlässigen. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sprach von einem „ideologisch getriebenen Verbot“ des Kurznachrichtendienstes Twitter, das die CDU bei der Opposition FDP und AfD durchgesetzt habe. „Der Wiederaufbau des Waldes mit Einnahmen aus WKA (Windkraftanlagen) ist zulässig und sinnvoll“, sagte der Thüringer Regierungschef.
Kläger
Gegen das generelle Verbot des novellierten Thüringer Waldgesetzes hatten private Waldbesitzer Ende 2020 Verfassungsbeschwerde eingelegt – mit Erfolg. Gemeinsam mit den Entwicklern des Projekts wollen sie Windkraftanlagen auf offenem Land errichten.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Das Gericht erklärte das im Thüringer Waldgesetz vorgesehene Verbot für „verfassungswidrig und damit unwirksam“. Es untersagt ausschließlich die Umnutzung von Waldflächen und „unterbindet jegliche Errichtung von Windkraftanlagen in Waldgebieten“, heißt es in dem Beschluss. Es handelt sich um einen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht der Waldbesitzer. Die Republik Thüringen hat für die Verordnung keine Gesetzgebungskompetenz, da auch der Bund in diesem Bereich Gesetze erlassen hat. Landrecht heißt.
Der Naturschutz gilt weiterhin für den Wald
In der Regel stehen Windenergieanlagen an Orten, die nach Borkenkäferbefall, Trockenheit und Stürmen stark geschädigt oder bereits baumlos sind – sogenannte Katastrophengebiete. Und mit ihrer Gesetzgebungskompetenz für Naturschutz und Landschaftspflege könnten die Länder Wälder weiterhin schützen, “wenn diese Flächen wegen ihrer ökologischen Funktion, Lage oder Schönheit schützenswert und schutzbedürftig sind”, erklärten die Verfassungsrichter. .
Reaktionen der Regierung
Neben Energieministerin Siegesmund begrüßte das Karlsruher Urteil auch Infrastrukturministerin Susanna Karawanskij (Linke). „Würde Wind im Wald in den waldreichen Gebieten Süd- und Ostthüringens nicht zugelassen, müssten Nord- und Mittelthüringen überproportional belastet werden“, sagte er. Er wolle dafür sorgen, dass „geschädigte Waldflächen oder Freiflächen gezielt für Windkraftanlagen im Wald genutzt werden“. Das Verfassungsgericht hat die Eigentumsrechte von rund 180.000 Waldbesitzern in Thüringen gestärkt. Siegesmund wies darauf hin, dass einige energieintensive Unternehmen inmitten von Waldgebieten eigene Windkraftanlagen für ihre Stromversorgung bauen wollten. Der Umweltverband BUND Thüringen fordert eine sorgfältige Planung von Windkraftanlagen und fordert die Räumung von Sperrgebieten im Wald.
Die Opposition bleibt kritisch
„Wir können die Natur im Wald schützen, das hat auch der Verfassungsgerichtshof bestätigt. Wie wir das konkret umsetzen, muss im nächsten Bundestag geklärt werden“, erklärte Thomas Gottweiß, Energiepolitiker der CDU-Fraktion. Die Formulierung der besonderen Probleme des Naturschutzes mit seiner Gesetzgebungskompetenz liege weiterhin in der Hand des Thüringer Landtags, sagte der Sprecher der FDP-Fraktion, Thomas Kemmerich. „Wir retten unseren Wald nicht, indem wir bis zu 250 Meter hohe Windmühlen pflanzen. Wir retten ihn, indem wir geschädigte Flächen wieder aufforsten und den Wald ökologisch umgestalten.“ Auch die AfD-Bundestagsfraktion äußerte Kritik. „Wir stehen zu unserer Position, dass der Wald kein Industriegebiet für erneuerbare Energien sein darf“, sagte die AfD-Bundestagsabgeordnete Nadine Hoffmann.
Lage in anderen Bundesländern
Nach einer Untersuchung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom August 2022 ist Windenergie auch in einigen anderen Bundesländern in Waldgebieten verboten. Darin heißt es: „Die Nutzung von Waldflächen zur Windenergiegewinnung ist derzeit in sechs Bundesländern erlaubt: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland.“ In zwei weiteren Bundesländern – Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen – ist dies eingeschränkt möglich. Laut dem im Juli von der Bundesregierung eingeführten Windgesetz müssen bis Ende 2032 zwei Prozent des Bundesgebiets der Windenergie zugeteilt werden. Für die 16 Bundesländer gibt es Vorgaben, wie hoch ihr Anteil sein muss, um das Ziel zu erreichen. In Thüringen werden es bis 2027 1,8 Prozent und bis 2032 2,2 Prozent sein, sagte ein Sprecher des Energieministeriums in Erfurt.
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