EU will Big Tech an den Kosten der Telekominfrastruktur beteiligen

Hamburg, Berlin Die Idee der EU-Kommission, die Kosten der Internet-Infrastruktur mit großen Technologiekonzernen zu teilen, lässt sich am besten mit einer Analogie zum Straßenverkehr beschreiben. Wie auf der Autobahn wird auch im Netz viel Verkehr von A nach B geleitet – außer es bewegen sich keine Autos, sondern nur Daten.

Geht es nach den Kommissaren Thierry Breton und Margrethe Vestager, werden die Verantwortlichen für große Datenmengen im digitalen Verkehrssystem bald für die Nutzung bezahlen. Eine solche „Datenmaut“ könnte Milliarden Euro einbringen, was den Ausbau moderner Infrastruktur wie Glasfaserleitungen und 5G-Mobilfunk beschleunigen soll.

Doch die Maut steht noch nicht fest. Einige Länder verzögern das Projekt – insbesondere Deutschland. In der Ampelkoalition herrscht Einigkeit darüber, dass die Brüsseler Pläne gegen das Prinzip der Netzneutralität verstoßen. Ein Argument, das sich auch die Lobbyisten der großen Technologiekonzerne zunutze machen. Allerdings scheint die Telekommunikationsbranche mit ihren Argumenten in Berlin nicht durchzukommen.

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Die Netzneutralität verspricht, alle Daten im Internet gleich zu behandeln, unabhängig von Herkunft, Inhalt und Ziel. Ein Prinzip, das die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag zu schützen versprochen hat. Müssen einige Großkonzerne für die von ihnen versendeten Daten eine Gebühr zahlen, so Kritiker der Mautgebühren, würde dies die Neutralität untergraben.

Der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, hält die Pläne der EU für “nicht akzeptabel”, weil sie gegen die Netzneutralität verstoßen. Dies sei jedoch die „Voraussetzung für Partizipation, Innovation und fairen Wettbewerb“.

Verletzung der Netzneutralität

Tobias Bacherle, Vorsitzender der Grünen im Digitalausschuss des Bundestags, bezweifelt sogar, ob es eine solche Regelung vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg geben wird.

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Und die liberale Bundestagsabgeordnete Katja Adler fordert, das Projekt zu verhindern, weil es „in einen funktionierenden Markt eingreifen und unabsehbare Folgen für Technologieunternehmen und Verbraucher haben könnte“.

Ähnlich argumentieren die Tech-Riesen selbst. Die Brüsseler Pläne gefährdeten die Offenheit und Gleichbehandlung der Angebote, warnte Sabine Frank, europäische Cheflobbyistin auf YouTube, gegenüber dem Handelsblatt.

Das „freie und offene“ Internet sieht die EU-Kommission durch ihre Pläne jedoch nicht gefährdet, da niemand am Datenaustausch gehindert werde. Ähnlich argumentieren die großen Telekommunikationskonzerne.

Anfang Dezember schickte die Bundesregierung zusammen mit Österreich, Estland, Finnland, Irland und den Niederlanden ein Schreiben an die Kommission. Das Schreiben liegt dem Handelsblatt vor. Darin fordern die Staaten von der EU einen transparenteren Umgang mit dem Thema und mehr Informationen über die nächsten Schritte zur Gesetzgebung.

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Deutschlands Meinung zur Brüsseler Initiative scheint bereits klar. Das Digitalministerium von Volker Wissing fordert vom Handelsblatt, dass die Kommission eine fundierte Begründung liefern muss, warum sie eine Kostenbeteiligung für notwendig hält.

Die Folgen für Markt und Wettbewerb, für die Netzneutralität und für die Verbraucher müssen zunächst sorgfältig analysiert werden. Die Aussage des Ministeriums ist jedoch eindeutig: “Wir sehen hier derzeit keinen Regulierungsbedarf.”

Können die Mautpläne trotzdem eingestellt werden?

Das Digitalministerium, das selbst für den Ausbau der Netze zuständig ist, geht davon aus, dass es derzeit nicht an finanziellen Mitteln mangelt. Der Gigabit-Ausbau sei „weitgehend autark“, für den Glasfaserausbau stünden in den kommenden Jahren rund 50 Milliarden Euro zur Verfügung.

Datenkabel

Das Digitalministerium, das selbst für den Ausbau der Netze zuständig ist, geht davon aus, dass es derzeit nicht an finanziellen Mitteln mangelt.

(Foto: dpa)

Mit dieser Position liegt die Bundesregierung allein unter den vier größten EU-Staaten. Frankreich, Spanien und Italien standen bereits im Sommer hinter Breton und Vestager.

Ob die Mautpläne noch gestoppt werden können, erscheint daher zumindest fraglich. Die Vorbereitungen für das Gesetzgebungsverfahren laufen bereits. Nach Handelsblatt-Informationen kann die EU-Kommission bereits im Dezember damit beginnen, die relevanten Gruppen zu ihren Positionen zu befragen. Spätestens Anfang 2023 soll die offizielle Konsultationsphase beginnen, in der Bürger, Unternehmen und Verbände offiziell Stellung beziehen können.

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Im Moment deutet alles auf eine baldige Umsetzung hin. Erst am vergangenen Donnerstag hat das sogenannte „Politikprogramm 2030 für das digitale Jahrzehnt“ den EU-Ministerrat passiert. Die finale Fassung enthält einen umstrittenen Abschnitt, der als Vorreiter einer Datenmaut interpretiert werden kann.

Druck aus der Telekommunikationsbranche

Für die Lobbyisten der Technologieunternehmen liest sich vor allem ein Satz auf Seite 13 bitter: Demnach müssen „alle Marktakteure, die vom digitalen Wandel profitieren“, Verantwortung übernehmen und „einen fairen und angemessenen Beitrag zu öffentlichen Gütern, Dienstleistungen und Infrastruktur leisten .” “..

In Deutschland geht die in der Telekommunikationsbranche tausende Mitglieder zählende Gewerkschaft Verdi in eine ähnliche Richtung. „Die Technologieunternehmen verdanken ihr Wachstum in Deutschland zu einem großen Teil einer flächendeckenden Infrastruktur“, die „zu einem nicht unerheblichen Teil aus Steuergeldern finanziert wird“, sagte Bundesrat Christoph Schmitz dem Handelsblatt.

Verdi begrüßt daher “ausdrücklich” das Vorhaben der Kommission. Schmitz verantwortet im Verdi-Bundesvorstand unter anderem den Bereich IT und Telekommunikation.

Gleichzeitig erhöhen auch die großen deutschen Fest- und Mobilfunknetzbetreiber den Druck auf die Koalition in Berlin. Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschland (O2), forderte eine „faire Lastenteilung bei der Finanzierung von Infrastrukturausgaben für zukünftiges Datenwachstum“. Telefónica setze sich für eine Verhandlungslösung ein, sagte Haas dem Handelsblatt. “Wir wahren das Grundrecht der Netzneutralität.”

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Auf europäischer Infrastruktur erzielen die Technologiekonzerne “de facto Monopolgewinne mit europäischen Daten”, teilte die Deutsche Telekom auf Anfrage des Handelsblatts mit. Laut einem Sprecher wäre es gut, wenn Kunden “an einem kleinen Teil dieser Gewinne in Form eines noch besseren Netzausbaus partizipieren könnten”.

Nutznießer wäre am Ende auch die Bundesrepublik selbst. Ein Großteil der Telekom-Dividende fließt in den Haushalt von Finanzminister Christian Lindner (FDP).

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