Das Wichtigste an toxischen Beziehungen ist, dass die Dinge nicht so bleiben können, wie sie sind.
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Auf Twitter kursierte vergangene Woche ein Liebesbrief – bemerkenswert für die deutsche Wissenschaft. Geschrieben hat es Amrei Bahr, einer der prominenten Initiatoren des Hashtags #ichbinHanna, unter dem Kritik an den prekären Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft gesammelt wurde. Hanna ist eine Vertreterin der sogenannten jungen Wissenschaftler, die unter unsicheren befristeten Verträgen und unbezahltem Arbeitsstress leiden. Nachdem sich Hanna euphorisch in die Beziehung zu ihrer wissenschaftlichen Karriere gestürzt hatte, war die Romanze-Phase nun vorbei. Was Hanna von vielen älteren Kollegen vorhergesagt wurde, ist eingetreten: Die Wissenschaft erweist sich als schlechter Partner, weil sie immer nimmt, ohne zu geben, und weil sie ständig verlangt, dass Hanna sich beweisen muss.
Der Name als Liebesbrief ist daher nicht zutreffend. Schließlich handelt es sich um einen öffentlichen Brief, der auch als Hilferuf interpretiert werden könnte. Denn was Hanna beschreibt, erinnert stark an eine toxische Beziehung, in der die Bedürfnisse des einen Partners im Vordergrund stehen, während die des anderen ignoriert werden. In diesem Sinne erzählt der Brief von den vielen Opfern, die Hanna für den Fortbestand der Beziehung bringen musste: Umzug, unbezahlte Überstunden, befristete Verträge, zerbrochene soziale Beziehungen zu anderen Freunden.
Das Ende des Briefes verheißt nichts Gutes. Denn anstatt sich aus dem vergifteten Beziehungsgefüge zu befreien, entpuppt sich Hannas Brief als Liebesbrief. Hanna geht es in erster Linie um das Wohl ihrer geliebten Wissenschaft. Ein besserer Umgang mit Hanna, also den Nachwuchswissenschaftlern, käme letztlich der Wissenschaft selbst zugute. Damit gerät sie wieder in ihre Unterwürfigkeit, die ihre eigenen Ansprüche hinter die des anderen stellt. Hanna zählt nur für die Bedürfnisse der Wissenschaft.
In der Paarberatung würde dieses Verhalten als Fortsetzung einer toxischen Beziehung angesehen. Alternativen dazu wären, die Beziehung zu beenden oder daran zu arbeiten, was bekanntlich die Bereitschaft beider Partner voraussetzt. Die #ichbinHanna-Bewegung hat es sich zur Aufgabe gemacht, für diesen Veränderungswillen zu kämpfen. Das soll aber bedeuten, dass die Spielregeln nicht mehr nur von einer Seite festgelegt werden. Stattdessen bedarf es einer gleichberechtigten Beziehung, in der die unterschiedlichen Bedürfnisse miteinander vermittelt werden können. Es braucht die Demokratisierung der Art und Weise, wie Wissenschaft betrieben wird.
Diese dringend notwendige Neuordnung betrifft nicht nur das wissenschaftliche Personal und das wissenschaftliche Personal, sondern alle, die in den wissenschaftlichen Einrichtungen arbeiten. Denn Hanna ist nicht die erste, die ausgebeutet und verworfen wird. Schon vor Hanna hat sich die Wissenschaft von fast allen nichtwissenschaftlichen Dienstleistungen getrennt und ausgelagert, um Tarifverträge zu vermeiden. Wenn Hanna nicht möchte, dass ihr dasselbe widerfährt, lohnt es sich vielleicht, nach solidarischen Verbindungen jenseits des romantischen Paares zu suchen und sich mit denen zu verbinden, die die Wissenschaft immer verachtet hat.