
“Putin ist kein zweiter Hitler”, sagt der Historiker Winkler.


„Preußen-Bashing ist auch deshalb beliebt, weil es einfacher ist als deutsche Selbstkritik“, kritisiert Winkler.
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Heinrich August Winkler warnt davor, den Holocaust in Bezug auf den Krieg in der Ukraine zu relativieren. Vergleiche mit der NS-Zeit sind im Detail nur fair. Auch zum populären „Preußen-Bashing“ in der Gegenwart hat der Historiker eine klare Meinung.
HEinrich August Winkler hat Vergleiche zwischen der Shoah und anderen Verbrechen kritisiert. Der führende deutsche Historiker sagte dem Berliner Tagesspiegel, die Vernichtung der europäischen Juden sei die zentrale Tatsache der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert. Sie sei das „größte Verbrechen aller Zeiten“.
Auch Wladimir Putin sei “kein zweiter Hitler”, sagte Winkler. Der russische Präsident will die Juden nicht ausrotten. Er scheint auch nicht ganz Europa erobern zu wollen. Er ist ein radikaler Nationalist, der die regionale Präsenz und den Einflussbereich der untergegangenen Sowjetunion so weit wie möglich wiederherstellen will.
Dieser Revisionismus unterscheidet Putins Russland von der Sowjetunion der Breschnew-Ära, die in erster Linie versuchte, ihre territorialen Besitztümer zu sichern. Putin hingegen stellt den Status quo insgesamt in Frage. Winkler, 84, lehrte bis 2007 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes und hat mehrere Bücher veröffentlicht.
Die Einteilung gilt auch für die Kolonialgeschichte.
In den Kriegen gegen Georgien 2008 und die Ukraine seit 2014 sieht der Historiker “unheimliche Ähnlichkeiten mit bestimmten Aspekten der Politik Hitlers”, etwa beim Zerfall der Tschechoslowakei 1938/1939. Ein Angriffskrieg gegen die Ukraine habe “Charakteristika eines Vernichtungskrieges”.
Winkler spricht sich auch gegen Vergleiche zwischen der Shoah und dem Vorgehen der Kolonialmächte aus. Die Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen im 19. und 20. Jahrhundert sei “sehr wichtig”. „Aber das macht den Holocaust noch nicht greifbar“, sagte Winkler.
Westliche Demokratien haben allen Grund, sich selbstkritisch mit ihrer kolonialen Vergangenheit und Rassismus auseinanderzusetzen: “Aber nur in und durch Deutschland war der Holocaust.”
„Preußenprügel“ beliebter als „Selbstkritik“.
Winkler äußerte sich in dem Gespräch auch zur Debatte um einen möglichen Namen für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Der “Tagesspiegel” sagte, eine solche Tat sei “kein Pakt mit der deutschen Vergangenheit, sondern eine Flucht vor der deutschen Geschichte”. „Preußen-Bashing ist auch deshalb sehr beliebt, weil es einfacher ist als deutsche Selbstkritik“, kritisierte Winkler.
Vor dem Hintergrund des 90. Jahrestages der Machtübergabe an die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 stellte Winkler fest, dass „Preußen nicht nur ein militaristischer und autoritärer Staat war, zu dessen traditionellen Schutzherren 1933 Hindenburg und die wilhelminische Macht gehörten. Die Eliten“: “Wir dürfen das Preußen der Aufklärung, religiöse Toleranz, entscheidende Strukturreformen in der Steinhardenberg-Ära zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht vergessen.”
Es gebe auch “ein Preußen der Rechtsstaatlichkeit, ein liberales Preußen”, behauptete der Historiker. In der Weimarer Republik diente das sozialdemokratisch regierte Preußen „als Fundament der Demokratie“.
Die SPK soll per Beschluss des Stiftungsrates im Dezember 2022 umfassend reformiert und neu organisiert werden. Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) als Vorsitzende des Stiftungsrates sprach sich für eine Umbenennung in SPK aus.