
Künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug in viele Lebensbereiche. Von lernenden Algorithmen, die unser Social-Media-Erlebnis (mit)bestimmen, bis hin zu Bots, die Kundenfragen im Web und am Telefon beantworten. Auch Wissenschaft und Medizin profitieren von den digitalen Assistenten. Wie genau künstliche Intelligenz sinnvoll eingesetzt werden kann, ist noch Gegenstand der Forschung. An der Medizinischen Universität Graz untersucht Barbara Kirnbauer, ob und wie mithilfe künstlicher Intelligenz dreidimensionale Röntgenbilder des Kiefers diagnostiziert werden können.
Ein Blick in den Kiefer
Gegenstand des jüngsten Forschungsprojekts von Barbara Kirnbauer war die digitale Volumentomographie, die es ermöglicht, dreidimensionale Röntgendaten des Kiefers und angrenzender Strukturen zu erstellen. Konkret ging es darum, wie gut ein entwickeltes künstliches neuronales Netz krankhafte Veränderungen im Kiefer rund um die Wurzelspitze erkennen kann. Die Interpretation der Röntgendatenserie ist zeitaufwändig, erfordert viel Fachwissen und kann bei Fehlern schwerwiegende Folgen für die Gesundheit des Patienten haben, nicht nur im Kieferbereich. Es ist bereits bekannt, dass der Einsatz künstlicher Intelligenz das Potenzial hat, Fehlerquellen zu reduzieren, die Sicherheit zu erhöhen und Zeit für medizinisches Fachpersonal zu sparen.
Die Wurzel des Problems
In den Datensätzen wurde nach sogenannten periapikalen osteolytischen Läsionen gesucht. Periapikal bedeutet etwas an oder um die Zahnwurzel herum, osteolytisch bedeutet Knochenauflösung und eine Läsion ist eine krankhafte Veränderung des Gewebes – in diesem Fall verursacht durch eine bakterielle Infektion mit Eintrittspunkt an der Zahnkrone. Unbehandelt können diese entzündlichen Läsionen zu Problemen wie Zahnschmerzen, Abszessen oder Zahnverlust führen. Nicht nur im Kiefer, sondern im ganzen Körper kann es durch Zahnherde zu krankhaften Veränderungen kommen, weil sich die verursachenden Bakterien über die Blutbahn ausbreiten. Deshalb ist es besonders wichtig, die teilweise nur wenige Millimeter kleinen Veränderungen schnell, genau und zuverlässig zu erkennen.
Das entwickelte KI-System wurde in dieser Studie an insgesamt 144 dreidimensionalen Datensätzen mit insgesamt 2.128 Zähnen getestet. Die Studie für die sehr frühe Phase der Forschung auf diesem Gebiet konnte eine beeindruckende Anzahl an untersuchten Studienobjekten vorweisen. Darüber hinaus lieferte das programmierte neuronale Netz auch äußerst vielversprechende Ergebnisse, die auf hohem Niveau publiziert wurden. Das Projekt von Barbara Kirnbauer wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Maschinelles Sehen und Repräsentation der TU Graz durchgeführt. Es kann nun als ausreichende Grundlage für die Weiterentwicklung und Verfeinerung des Algorithmus angesehen werden, mit dem langfristigen Ziel, KI in der täglichen zahnmedizinischen Arbeit an der Med Uni Graz einsetzen zu können.
Quelle: Medizinische Universität Graz