Kindergrundsicherung: “Kinderarmut ist eine Schande für Deutschland”


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Stand: 29.01.2023 09:25 Uhr

Die Kindergrundsicherung gebe es nicht umsonst, sagt Familienministerin Paus – auch in Richtung des Finanzministers. Sie erklärt, warum das Riesenprojekt teuer sein wird und warum es lange dauern wird tagesschau.de– Instandhaltung.

tagesschau. de: Die grundlegende Kindersicherheit ist eines der zentralen Projekte Ihres Ministeriums. Aber ohne das Ja von Finanzminister Christian Lindner könnte es schwierig werden. Haben Sie an ein mögliches Versagen der grundlegenden Kindersicherheit gedacht?

Lisa Papst: Diese Koalition einigte sich auf grundlegende Kindersicherheit. Sie ist das zentrale gesellschaftspolitische Projekt der gesamten Bundesregierung. Sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Finanzminister haben klar gesagt, dass sie zu einer grundsätzlichen Kindersicherheit stehen. Über die genaue Ausgestaltung sind wir in intensiven Gesprächen, der interministerielle Arbeitskreis zur grundsätzlichen Kindersicherheit tagt noch.

Die Gesamtkosten der Kindergrundsicherung stehen derzeit außer Frage, da eine Berechnung des soziokulturellen Lebensstandards fehlt. Außerdem wissen wir noch nicht, wie die Inflationsrate im Jahr 2025 aussehen wird, also in dem Jahr, in dem die Kindergrundsicherung ausbezahlt werden muss.

Ich finde es richtig, dass der Finanzminister darauf hingewiesen hat, dass die Kosten noch nicht entschieden sind. Aber es ist auch wahr, dass grundlegende Kindersicherheit nicht kostenlos erhältlich sein wird. Denn es geht auch um die Bekämpfung von Kinderarmut.

Lisa Papst |  über REUTERS

Zur Person

Die Grünen-Politikerin Lisa Paus ist seit Ende April 2022 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sie folgt auf Anne Spiegel, die zurückgetreten ist. Paus hat sich vor allem als Finanzexperte der Grünen-Bundestagsfraktion einen Namen gemacht. Sie war früh in das Projekt zur grundlegenden Kindersicherheit eingebunden und hat das Konzept der Grünen mitentwickelt.

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“Das ist keine grüne Grundsicherung”

tagesschau. de: Das Ifo-Institut geht von Kosten von 27 bis 33 Milliarden Euro für die Grundsicherung aus. Das ist mehr als doppelt so viel, wie im aktuellen Haushalt des Familienministeriums zur Verfügung steht. Was wird so teuer?

brechen: Basis Kindersicherheit gestalten wir auf Basis des Koalitionsvertrages. Das ist kein grundsätzlicher Kinderschutz der Grünen, sondern einer der Koalition. Wir planen einen Garantiebetrag, der sich an der Höhe des aktuellen Kindergeldes orientiert, also mindestens 250 Euro. Außerdem muss ein einkommensabhängiger Zuschlag hinzukommen.

Die interministerielle Arbeitsgruppe, an der sieben Ressorts beteiligt sind, beginnt nun mit den genauen Berechnungen. Daher können wir heute nichts Ernsthaftes über Zahlen sagen.

tagesschau. de: Was ist verantwortlich für den Paradigmenwechsel in der grundlegenden Kindersicherheit, von dem Sie immer sprechen?

brechen: Der Paradigmenwechsel besteht darin, dass wir systematisch gegen eine strukturell verankerte Kinderarmut in Deutschland vorgehen. Erstens durch die Finanzdienstleistungen, zweitens durch die Bündelung der vielen Leistungen, die selbst Experten nicht mehr nachvollziehen können, und drittens durch eine neue Leistungspflicht des Staates.

Viele Familien wissen nicht, auf welche Sozialleistungen sie Anspruch haben. In Zukunft wollen wir alle Familien erreichen, die einen Anspruch haben. Heute nehmen bis zu 70 Prozent aller anspruchsberechtigten Familien diese nicht in Anspruch. Künftig wollen wir aus der Leistungspflicht der Bürger die Leistungspflicht des Staates machen. Darin liegt eine große Hebelwirkung. Dafür werden wir ein digitales Kinderschutzportal und den „Kinderschutz-Check“ erstellen.

Bisher waren die staatlichen Vorteile zu unübersichtlich, daher ist es sinnvoll, sie zusammenzuführen. Die grundlegende Kindersicherung soll alle Familienkonstellationen erreichen, auch den Mittelstand. In finanzielle Schwierigkeiten zu geraten, kann jedem passieren. Zum Beispiel durch eine Scheidung: Gerade Frauen, die plötzlich alleinerziehend sind, können schnell in finanzielle Probleme geraten.

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Die digitale Umsetzung braucht Zeit

tagesschau. de: Ihr Koalitionspartner FDP befürchtet, dass die Grundsicherung der Kinder irgendwann so hoch sein wird, dass der Anreiz zur Arbeit verloren geht. Wie stellen Sie sicher, dass dies nicht passiert?

brechen: Wir wollen die Anreize zur Aufnahme einer Arbeit deutlich verbessern, wie wir es zuletzt mit Citizens Income getan haben. Dies dient auch der grundsätzlichen Kindersicherung. Ich kann Ihnen unzählige Beispiele nennen, wo Menschen nur zehn Prozent ihres Einkommens behalten. Oder manchmal ist es sogar so, dass man nach einem Verdienst von mehr als einem Euro netto noch weniger hat als vorher.

Dem wollen wir mit der Ausgestaltung des Mehrbetrags entgegenwirken. Es muss so gestaltet sein, dass es langsamer abschmilzt, als man es verdient. Am Ende muss definitiv mehr Netto drin sein als vorher.

Lindner, Finanzminister und Paus, Familienminister

Bild: REUTERS

tagesschau. de: Vor wenigen Tagen wurden die Eckpunkte Ihres Dienstes für grundlegenden Kinderschutz öffentlich. Einen Gesetzentwurf soll es aber erst im Sommer geben. Warum dauert das so lange?

brechen: Mit Blick auf eine der größten und auch sehr komplizierten Sozialreformen der letzten Jahre sind wir auf einem guten Weg. Die interministerielle Arbeitsgruppe diskutiert nun die Eckpunkte. Sobald die Mitglieder eine Einigung erzielt haben, muss die Koalition abstimmen. Dann können wir mit der Ausarbeitung des Gesetzes beginnen.

Das braucht natürlich Zeit, auch weil es sich um ein großes Digitalisierungsprojekt handelt. Ich bin zuversichtlich, weiß aber auch, wie herausfordernd es wirklich ist, bis 2025 nicht nur ein Gesetz zu verabschieden, sondern auch die entsprechenden Digitalisierungsbausteine ​​umzusetzen.

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tagesschau. de: Haben Sie die Eckpunkte der Arbeitsgruppe erwartet?

brechen: Nein, im Gegenteil. Es liegt in meiner Abteilungsverantwortung, einen ersten Entwurf zu entwickeln. Mein Unternehmen ist für diesen Prozess verantwortlich und muss die Arbeitsschritte bündeln. Bevor ich diesen Vorschlag der Arbeitsgruppe vorstellte, hatte ich auch politische Diskussionen. Ich habe im Vorfeld mit der Bundeskanzlerin, dem Finanzminister, dem Bauminister, dem Bildungsminister und dem Arbeits- und Sozialminister über die Eckpunkte gesprochen.

„Ein Riesenprojekt“

tagesschau. de: Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung hat sich die Situation von Kindern, die in Armut leben, weiter verschlechtert. Ab 2025 muss die Kindergrundsicherung ausgezahlt werden. Es geht also weiter…

brechen: Da es noch einige Zeit dauern wird und wir nicht abwarten können, hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr bereits einiges angestoßen. Wir haben uns für drei Hilfspakete sowie Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds entschieden. Deshalb war es mir so wichtig, das Kindergeld auf 250 Euro und den Kinderfreibetrag auf weitere 250 Euro zu erhöhen. All diese Punkte sind besonders wichtig für arme Familien.

Ich weiß, was für ein riesiges Projekt grundlegende Kindersicherheit ist. Ich arbeite nun seit über zehn Jahren an dem Konzept, habe es in verschiedenen Aspekten betrachtet und verfeinert. Ja, es wird etwas länger dauern. Bis zum Ende der Legislaturperiode muss aber eigentlich die Grundsicherung kommen. Kinderarmut ist eine Schande für ein reiches Land wie Deutschland. Wie wir damit umgehen, ist auch ein Indiz dafür, wie sozial gerecht wir sind und wie stark der gesellschaftliche Zusammenhalt ist.

Das Interview führte Sarah Frühauf, ARD-Hauptstadtstudio

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