
Kunst im öffentlichen Raum lässt sich in zwei Teile gliedern: Wenn man – wenn auch nicht nur, dann zunächst, weil es auch die antike Geschichte ist – an Statuen und Brunnen denkt. Eine, die sich allmählich gegen Mitte des 20. Jahrhunderts unter dem Stichwort „Kunst im öffentlichen Raum“ herausbildete, meist um temporäre Kunstwerke.
Dies können Gebäude, Treppen, Brücken, Böden und freistehende Skulpturen und Installationen sein. Dort wurden auch Wartehäuschen, Pavillons, Wohndenkmäler und Kirchen, Türme und Bahnsteige errichtet. Schrift, Bild und einfache Kunst, Fotografieren und Videos sind ebenso Trends wie neuerdings digitale Kunstwerke inklusive Hologramme oder interaktive Kunst im öffentlichen Raum über das Internet erschlossen werden.
Einige dieser Kunstwerke sind für jeden irgendwie einfach zu leben. Einige sind umstritten, bevor sie gebaut werden. Und die Vorstellung, dass dies länger dauern könnte als geplant, sorgt oft für hitzige Debatten zwischen Befürwortern und Gegnern. Die Debatte darüber, was Kunst im öffentlichen Raum ist, was sie darstellt, was sie leisten kann, ist vielfältig und endlos.
Das öffentliche Kunstprojekt des Kulturreferats der Landeshauptstadt München ruft immer wieder unterschiedliche Reaktionen hervor. So steht Alicja Kwades – auf Menschengröße geschnitten – „Bavaria“ seit Frühjahr 2020 auf der Erhardtstraße Ecke Corneliusbrücke und scheint Passanten gleichermaßen zu erfreuen und kalt zu lassen. So unumstritten ihr Auftritt auch ist, die Verlängerung ihrer Präsenz bis Ende 2023 dürfte nicht zu Gewalt führen.
Ganz anders der „Bridge Sprout“ des japanischen Studios Bow Wow. Am Isarufer gegenüber der Schwindinsel platziert, gemeinhin als „Brücke ins Nichts“ bekannt, hatte sie schon unangenehme Namen wie Mikado-Illusion, Jägerzaun, Hausdach, Rumpfding, Luftbrücke oder die Dummy-Brücke. Und die bayerische Partei versuchte, sie daran zu hindern, im Kulturausschuss der Stadt abzustimmen. Oft wollen die Leute die sogenannten Brücken wirklich umsonst betreten. Aber es geht auch um den Spaß an jedem Loch.
Alles eine Frage der Perspektive: Der „Bridge Sprout“ lieferte viele Ein- und Durchblicke und wurde gerade in der Pandemie zum Münchner Selfie-Hotspot.
(Foto: Catherine Hess)
Allerdings trompete der „Bridge Sprout“ nicht mit außergewöhnlichen Tiefen, sondern während der Meditation. Nach kurzer Zeit landete ein Stück der Brücke auf dem Wasser und machte die Schwindinsel zu einem Ort der Traurigkeit, mehr als man es sich wünschte. Jeder Pass, jede Radtour erforderte einen Moment zum Anhalten. Manchmal kamen die Leute in Gruppen, für die man sich wegen des Coronavirus anstellen musste, um sich ihnen anzuschließen. Das hätte zugegebenermaßen nicht weniger für einen Moment des Nachdenkens getan. Die Münchner „Brücke ins Nichts“ war auf ihrem Weg zum Selfie-Hotspot an der Isar geworden.
Leider endete dieses Kunstwerk im öffentlichen Raum kurz vor Weihnachten nach zwei Verlängerungen – ohne Murren. Wir werden dich vermissen.