
Säule
Christoph Bruns
Linde-Aus: Die deutsche Börse nimmt einen weiteren Tiefschlag

Christoph Bruns
© Lyndon Französisch
Der Industriekonzern Linde gibt seine deutsche Börsennotierung auf. Das ist nicht verwunderlich, zeigt aber schonungslos, wie schlecht die deutsche Aktienkultur ist
Für Beobachter der deutschen Finanzmarktszene ist es traurig und wenig überraschend, dass der Industriegasekonzern Linde beabsichtigt, sich von der deutschen Börse zurückzuziehen. Spätestens seit der Fusion des ehemaligen Münchner Unternehmens mit Praxair aus den USA musste man mit einer solchen Entwicklung rechnen. Die Annahme der Rechtsform British plc und die Verlegung des Firmensitzes waren frühe Vorboten des aktuellen Plans, die Hauptnotierung der Aktie an der New Yorker Wall Street einfach fortzusetzen.
Für den gewählten Weg gibt es viele gute Gründe. Zweitnotierungen sind teuer und rund drei Viertel des täglichen Handels mit Linde-Aktien findet in Amerika statt. Eigentum ist sogar noch relevanter. Während nur rund acht Prozent der Linde-Aktien von deutschen Investoren gehalten werden, befinden sich laut Bloomberg rund 73 Prozent im Besitz amerikanischer Investoren.
Nächster Tiefschlag
In der Folge erlitt die Deutsche Börse einen weiteren Schlag. Denn Linde ist nicht irgendeine Aktie, sondern die mit dem mit Abstand höchsten Börsenwert aller in Deutschland notierten Dividendenaktien.
Deutsche Politiker haben nie verstanden, wie vorteilhaft ein großer, breiter und tiefer Aktienmarkt für die Wirtschaft und den Wohlstand eines Landes ist. Wie oft hat sich der frühere Wirtschaftsminister Gabriel darüber gewundert, dass vielversprechende junge deutsche Unternehmen vor allem auf die Finanzierung durch amerikanische Wagniskapitalgeber angewiesen sind. Für Stirnrunzeln sorgte auch, als der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech sofort eine Note an der Wall Street suchte. Damals dachte man, dass deutsche Investoren zu wenig von Biotechnologie und Medizintechnik verstehen, um ein Solo-Listing in Deutschland zu starten.
Bisher sind alle Initiativen zur Etablierung einer kapitalgedeckten dritten Säule der Altersvorsorge in Deutschland kläglich gescheitert. Zuletzt hatte die Ampelregierung ihren Plan zur Einführung einer sogenannten „Aktienrente“ zunächst auf Eis gelegt. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass das Konzept während eines Bärenmarktes wieder einmal nicht aufgehen wird.
In Ordnung; Der deutschen Aktienkultur geht es nicht besonders gut und es gibt nirgendwo Anzeichen für eine positive Veränderung. Das Beispiel Linde zeigt jedoch, wie vorteilhaft Beteiligungen sein können. Die Linde-Aktie hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren enorm entwickelt und den DAX weit hinter sich gelassen. Nichts deutet auf ein baldiges Ende dieser Entwicklung hin, unabhängig davon, an welcher Börse die Aktie gehandelt wird.