
Berlin (dpa) – Auch nach den Zugeständnissen der Ampelgruppen an die Gewerkschaft gibt es keine Lösung im Streit um die geplante Bürgerunterstützung. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lehnt Sozialreformen weiter ab, wie am Samstag auf dem CDU-Parteitag bei Leipzig deutlich wurde. „Das Bürgergeld in seiner jetzigen Form ist ein Irrtum, deshalb können wir es als Sächsische Republik nicht hinnehmen“, sagte Kretschmer.
Ein Selbstständiger verdiene mit einem Bruttogehalt von 2.500 Euro nur wenig mehr, als wenn er Sozialleistungen beziehe, erklärte er. “Tut mir leid, aber das geht nicht. Nein, das ist der falsche Weg.” Trotz der Änderungen im ursprünglichen Regierungsentwurf hielt auch die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann, Chefin des Mittelstands und der Wirtschaftsunion, an ihrer grundsätzlichen Kritik an den Einkommen der Bürger fest und nannte die Ampelvergünstigungen „Kosmetik“.
Am Freitag präsentierten die Ampelfraktionen Verbesserungen zum Grundeinkommensgesetz – auch in der Hoffnung, Kritiker in den Reihen von CDU und CSU zu überzeugen. Allerdings könnten die CDU-geführten Länder, darunter auch Sachsen, das Vorhaben noch im Bundesrat blockieren und damit das geplante Inkrafttreten zum 1. Januar verhindern.
Lindner warnt vor “schäbiger Konkurrenz”.
Der überarbeitete Regierungsentwurf sieht eine Verschärfung der zweijährigen Wartefrist – eine Art weniger geregelte Sperrfrist – und neue Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs von Leistungsempfängern vor. Geplant ist beispielsweise, dass die Heizkosten für die Wartezeit nur in angemessenem Umfang übernommen werden sollen – und nicht wie ursprünglich geplant unbegrenzt. Die Union hatte diesen Punkt zuvor scharf kritisiert.
Nach den Plänen der Bundesregierung soll das Bürgergeld zum 1. Januar das bisherige Grundsicherungssystem Hartz IV ablösen. Ziel ist es, Betroffenen die Möglichkeit zu geben, sich stärker auf Weiterbildung und Jobsuche zu konzentrieren. Das Jobcenter soll weniger Druck auf sie ausüben. Auch die Regelsätze der Grundsicherung sollen um rund 50 Euro pro Monat steigen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nannte die Reform „eine der größten Sozialreformen der letzten 20 Jahre“.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wies die Kritik der Opposition an der Sozialreform zurück. „Gerade wenn es um Vermögen geht, empfehle ich nicht, an einem schäbigen Wettstreit teilzunehmen“, sagte der FDP-Vorsitzende der „Welt am Sonntag“. Wenn Menschen aufgrund eines Schicksalsschlags durchs Raster fallen, sollte man laut Lindner nicht essen, was man sich womöglich über Jahrzehnte angeeignet hat. Zum Verteidigungsvermögen gehören bestimmte Zuschüsse zu Vermögenswerten, die nach dem Sozialrecht nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet werden müssen.
Andere Politiker der Regierungsfraktionen warfen der Gewerkschaft vor, Fake News zu verbreiten. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte bei einer Veranstaltung seiner Partei am Samstag in Berlin, man verbreite Falschinformationen und hetze Geringverdiener gegen vom Staat abhängige Menschen. Das Bündnis sei ein Zusammenschluss zweier Parteien „unter Führung von Markus Söder und Friedrich Merz mit dem Ziel, die Gesellschaft zu spalten“, sagte er.
Ampelpolitiker beklagen “Populismus” und “Fake News”.
Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, warnte vor Falschinformationen. „Mich beunruhigt sehr, dass in Teilen der Öffentlichkeit die Debatte um das Bürgereinkommen durch Populismus, Kampagnen und Falschinformationen angeheizt wird. Gerade von CDU/CSU-Seite wünsche ich mir im Interesse der CDU/CSU eine sachlichere Debatte Bürger, Betroffene und soziale Interaktion”, sagten Sie. FDP-Vizevorsitzender Johannes Vogel hatte zuvor öffentliche Forderungen wie die Sanktionsfreiheit von Sozialhilfeempfängern als „Fake News“ bezeichnet, ohne die Gewerkschaft ausdrücklich zu erwähnen.
Michaela Engelmeier, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Sozialverbandes, stellte am Wochenende die Bedürftigen in den Mittelpunkt: „Bei allen Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern dürfen wir nie vergessen, dass wir über die Menschen sprechen, die am wenigsten haben.“ sagte Engelmeier. Es müsse schnell eine Einigung gefunden werden, damit die neuen Regelungen „schnellstmöglich“ bei den Menschen ankommen. „Schon 53 Euro mehr im Monat helfen den Opfern enorm und können ihnen Existenzängste nehmen.“
Trotz bestehender Meinungsverschiedenheiten hoffen die Ampelfraktionen weiterhin auf die Zustimmung der CDU-geführten Länder im Bundesrat. Die Riigikoda soll sich am 25. November erneut mit der Reform befassen. Am kommenden Donnerstag sind die zweite und dritte Lesung des Gesetzes im Bundestag angesetzt.
© dpa-infocom, dpa:221105-99-392615/6