Studie: Investoren verlangen mehr Diversität in den Unternehmen – Wirtschaft

Ingo Speich ist ein Mann mittleren Alters. Ein Mann, dessen Aufgabe es ist, dafür zu sorgen, dass bald weniger seinesgleichen in der Führung deutscher Unternehmen mitreden können. Sein Arbeitgeber Deka Investment investiert das Geld seiner Kunden in Unternehmensanteile. Speich, der das Ressort Nachhaltigkeit und Corporate Governance leitet, hofft, dass diese Unternehmen in der zweiten Lebenshälfte nicht mehr so ​​oft auf weiße Männer in Führungspositionen setzen. „Wenn ein Unternehmen nicht heterogen aufgestellt ist, bleiben zu viele Potenziale ungenutzt“, sagt Speich. Eine größere Vielfalt sei daher „im Interesse unserer Kunden“.

Mit dieser Einschätzung steht der langjährige Fondsmanager nicht allein. Eine Studie der Initiative „Investors 4 Diversity“ der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) zeigt: Immer mehr institutionelle Investoren üben Druck auf Unternehmen aus, auf gemischte Managementteams zu setzen. Sie sind besorgt über mehr Frauen in Führungspositionen sowie über Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund oder einer anderen Ausbildung als einem Standardabschluss in Betriebswirtschaft. Gleichzeitig zeigt die Studie aber auch, dass Beteiligungsgesellschaften oft nicht nach ihren Maximen handeln.

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Weil institutionelle Investoren wie Deka, Union Investment oder US-Giganten wie Blackrock und Vanguard im Auftrag ihrer Kunden relativ große Anteile an Unternehmen halten, haben sie Macht: wenn sie glauben, dass sich das Unternehmen zu wenig bewegt oder falsch liegt. Anweisung können sie von ihrem Stimmrecht in der ordentlichen Hauptversammlung Gebrauch machen, um für ein Mitglied des Vorstands oder des Verwaltungsrats zu stimmen, das das Vertrauen ausspricht. Eine neue Studie zeigt: Während im Jahr 2020 die Hälfte der 30 einflussreichsten Investoren die geschlechtsspezifische Zusammensetzung von Führungsgremien zur Bedingung für eine Investition in ein Unternehmen machte, schrieben dies im vergangenen Jahr 73 Prozent in ihre Anlagerichtlinien.

„Investoren tun dies nicht aus gutem Willen, sondern weil sie die Bedeutung von Vielfalt für eine gute Unternehmensführung sehen“, sagt Studienautorin Philine Sandhu von der HWR. Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass vielfältige Teams einen positiven Einfluss auf den Geschäftserfolg und den Aktienkurs haben. Ein kausaler Zusammenhang ist jedoch noch nicht bewiesen.

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Erst fragen, dann Druck ausüben

Um herauszufinden, ob ein Unternehmen beim Thema Diversität wirklich Fortschritte macht, befragen Fondsmanager regelmäßig den Vorstand. Denn dieses Gremium besetzt und kontrolliert den Vorstand der Gesellschaft. „Gespräche mit Vorständen vermitteln oft einen Eindruck davon, wie ernst das Unternehmen Diversity nimmt“, sagt Speich. Entsteht das Bild, dass dies nicht der Fall ist, können Anleger das „schärfste Schwert“ ziehen, wie Speich es nennt, und den Organen die Zustimmung verweigern.

Aber oft passiert das nicht. So sehr sie Diversität theoretisch auch fordern, die befragten Investoren stimmten in 39 Prozent der Fälle gegen ihre eigenen Richtlinien. Sie haben für einen männlichen Kandidaten gestimmt, obwohl ihre eigenen Anforderungen an die Geschlechtervielfalt noch nicht erfüllt waren. „Diese Diskrepanz hat uns überrascht“, sagt Studienautor Sandhu.

Das Forschungsteam erklärt das Ergebnis so: Es gibt keine Standarddaten, mit denen sich überprüfen lässt, wie es den Unternehmen tatsächlich geht. Wie fördern Sie weibliche Talente? Wo laufen sie auf der Karriereleiter schief? Werden Frauen schlechter bezahlt? „Je tiefer wir in die Unternehmenshierarchie blicken, desto undurchsichtiger wird, wie dort Stellen besetzt werden“, sagt Ingo Speich von der Deka. Und: Umso schwieriger ist es für Investoren, sich ein Bild zu machen.

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Weitere Erkenntnisse könnte ab 2024 die EU-Richtlinie bringen, die Unternehmen strengere Transparenzpflichten auferlegt. Auch die zuständige Bundesfamilienministerin Lisa Paus erklärt, sie wünsche sich, dass „viele wie Vielfalt, Gleichberechtigung oder Vereinbarkeit in Unternehmen künftig viel besser gemessen, bekannt gemacht und integriert werden“. Hier gibt es einen Haken: Fonds und Investmentfirmen sind selbst stark männerdominiert. „Vielleicht fehlt deshalb manchen Themen eine gewisse Sensibilität“, vermutet Sandhu. Deka-Mann Speich will es nicht ganz abtun, sagt aber auch: In seinem Team, das Diversity zum Thema gemacht hat, liegt der Frauenanteil bei über 50 Prozent.

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